Fasan-Kritik

Franz Schmied: Zwischen Tiefsinn und Nonsens

8. August 2013

 
Ein beeindruckendes Lyrikdebüt ist Lothar Thiel da gelungen. Zwischen Tiefsinn und Nonsens bewegen sich seine Gedichte, schwanken zwischen strenger Form (bis hin zum Sonett) und freier Gestalt, bieten edlen Humor, schlichte Schenkelklopfer, tiefe Einsichten vor allem ins Privatmenschliche der Gegenwart und auch so manch melancholischen bis gar traurigen oder aber schlicht stimmungsvollen Moment, sind zumeist auf Hochdeutsch verfasst, doch meiden auch den Ausflug in den Dialekt nicht. Anklänge an die großen toten Dichter, zumal jene der komischen Dichtkunst, sind immer wieder zu finden, doch das verhindert nicht, dass hier einer seinen eigenen Klang, seine eigene Sprache entfaltet - und seine ganz eigene Sprach- und Weltsicht präsentiert. Und drückt auch keine Rückwärtsgewandtheit aus, was sich auch dadurch zeigt, dass auf Größen des gegenwärtigen Lyrikbetriebs auch immer wieder angespielt wird. Thiel kennt offenbar Tradition und Gegenwart - und schnitzt sich vor diesem Hintergrunde seine eigenen Verse. Und die wiederum sind solcher Natur, dass der Leser das Buch gar nicht zur Seite legen mag, denn sie sind keine schwere Kost, und doch voller Substanz und bieten auch reichlich Abwechslung.
 
Mehrere Gedichte hatten es mir gleich so angetan, dass ich sie umgehend zweimal las - und sicher nicht das letzte Mal gelesen haben werde. Klar ist auch: Nicht bei jedem Gedicht ging es mir so, und sicher sind auch ein paar dabei, auf die hätte man aus meiner Sicht verzichten können - doch schmälert das Thiels Leistung keineswegs: Ich kenne keinen Gedichtband, in dem mir wirklich jedes Gedicht zusagte. Ein echter Lyriktipp - und jedem zu empfehlen, der zum Beispiel mit Ringelnatz, Gernhardt, Bernstein was anfangen kann und dazu noch einen Jandl sowie einen Rühmkorf nicht scheut.
 
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