Erzählt

Was kommt

     
Bilbao, den 5. Oktober 2012

 
Zunächst nichts, denn der Montag ist ja je schon an seinem Platz. Er ist der ruhende Pol schlechthin, der immer schon da war und in den alles und alle zurückkehren. Aber: Nach – und in gewisser Weise auch vor ihm – kommen Dienstag, Mittwoch und so weiter, schließlich auch der Freitag, genauer gesagt, der Freitagnachmittag.
 
Der etwas in Vergessenheit geratene Autor Jasper Karlsson schrieb über einen jungen Mann, der den Sinn in der Sinnlichkeit vermutet, deswegen am Freitagnachmittag aus seinem Loft in den Lift stürzt, kurz danach aus der Haustür herauskommt und in lauter ziemlich heiße Luft eintaucht.
 
Da sieht er gleich, in Rückansicht, eine Frau Mitte zwanzig mit langen wallenden braunen Haaren und Brille. Kurzsichtige Frauen findet er extrem sexy, vielleicht, weil sich hinter den Rändern der konkaven Linsen der Brille die Umgebung verkleinert und irgendwie Abstand nehmend abbildet und die Frau darum unsicher und schutzbedürftig wirkt, so wie in Schuhen mit dreizehn Zentimeter hohen Absätzen.
 
Aber um solche Begegnungen gehe es dem jungen Mann, wie der Autor Jasper Karlsson beteuert, eigentlich gar nicht, weshalb er die Kurzsichtige auch sogleich entschlossen überhole und dann, nach einem ganz kurzen Blick zurück, auf den mobilen Pfaden, die durch die promenierenden Menschenmassen führen, ziemlich zügig vorankomme.
 
Alle zwei Wochen geht er, Diätanhänger, ins Kaufhaus „Kaufhaus“, um sich dort neue Löcher in seinen schwarzen Ledergürtel stanzen zu lassen, den er dort drei Monate zuvor gekauft hat. Der krawattenbewehrte Herr an der Kasse sieht zwar vergrämt drein, als ihm das Anliegen wieder einmal vorgebracht wird. Aber seine Chefin, die, sich abwendend, den Vorgang nur mit halbem Ohr zu verfolgen scheint, grinst amüsiert, als der Kunde seine Philosophie erläutert (neue Löcher, neue Ziele). Der junge Mann reicht dem Angestellten den Gürtel, zwei Löcher werden gestanzt und der Gürtel wieder angelegt, natürlich enger als zuvor.
 
Beschwingt geht er von dannen. Denn er findet und fühlt, auf dem richtigen Weg zu sein.
 
Zur Linken Rouge de Chanel. Tragische Naturgrenzen: Die Lippenröte lässt sich nicht unendlich steigern, aber der junge Mann schätzt das Bemühen und die Idee als solche.
 
Jetzt muss doch irgendwann mal ein „Aber“ kommen und es kommt auch, nur Geduld! Aber zuerst kommt noch eine scheu blinzelnde junge Frau aus einer Nische des Kaufhauses, einen Flacon in der Hand, auf den jungen Mann zu und fragt ihn, ob sie ihm die neueste Kreation ihres Hauses für Männer auf den textilfreien Arm sprühen dürfe. Aber klar darf sie das.
 
Aber das „Aber“, dass all dies doch nicht wirklich genug sei, weder für den jungen Mann, noch für die Geschichte über ihn, kommt nicht. Zumindest kommt es nicht gut an beim Autor Jasper Karlsson. Es sei all jenes, ganz im Gegenteil, eher schon fast zu viel. Aber der junge Mann denkt nicht so und geduldig hält er die Tür seiner zweitliebsten Bar auf.