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Carlos Ruiz Zafón: “Das Spiel des Engels”


Zuerst am 12. Oktober 2009 auf buecherbrett.org
   
Am 9. Oktober 2013 auf LYRIKwelt als dritte Rezension zu diesem Buch veröffentlicht

 

Zafóns “Der Schatten des Windes” ist ein toller Roman. Spannend erzählt, witzig (v.a. durch die Figur des Fermín), historische und kulturelle Einblicke in das Barcelona um die Mitte des 20. Jahrhunderts gewährend sowie letztlich in sich schlüssig. Wer nach diesem Buch “Das Spiel des Engels” liest, wird möglicherweise enttäuscht sein.

Nicht nur, dass der Roman mit kruden Mystizismen überladen ist (v.a. im mittleren Teil), schon das Anliegen des Bösewichts, den Protagonisten zur Erstellung einer Erzählung zu zwingen, durch die eine neue (menschenverachtende) Religion gegründet werden soll, ist im Gegensatz zum Motiv Mephistos für seinen Pakt mit Faust nicht nachvollziehbar. (Zafón selbst wollte dem Roman etwas Faustisches geben.) Fausts Motive für den Teufelspakt waren ausschließlich ideeller Natur und insofern freier als diejenigen David Martíns (der Hauptfigur), der nur durch den Pakt sein (physisches) Leben zu retten hoffen kann.

Die erzählte Zeit des Romans “Das Spiel des Engels” liegt vor der des “Schatten(s) des Windes”; in jenem kehrt daher manche Figur oder Gegebenheit wieder, die der Leser auch schon von diesem Roman kennt. Doch ist dies ein literarisch vertretbarer Grund, haargenau das gleiche Romanschema nochmal abzuspulen? 

Ein Thriller lebt davon, dass alles, was passiert, letztlich eine rationale Erklärung erfährt. Nicht so im “Spiel des Engels”, wo der Deus ex Machina mit übernatürlichen Kräften nicht nur einmal in die Handlung entscheidend eingreift. Und nichts gegen verborgene Räume, kryptische Schriften und seltsame Zufälle, aber wenn fast alle Cliffhanger damit bestückt werden, verbraucht sich der beabsichtigte Effekt recht schnell.

Die Personen werden nicht allzu sehr nuanciert gezeichnet; entweder starren sie nur so vor lauter Mut, Wahrhaftigkeit und Güte oder sie sind Fieslinge. Zu den wenigen Ausnahmen gehören David Martín und sein Freund Vidal. Fast alle beherrschen die Kunst der bloßstellenden Antwort; ob der Autor nicht auch hier ein bisschen zu viel von sich selbst in seine Geschöpfe hineingelegt hat?

Aber: Obwohl ich schon nach gut 200 Seiten meine ersten Bedenken hegte, las ich den über 700-seitigen Roman zu Ende, denn abgesehen von gewissen Längen im mittleren Teil ist er sehr spannend geschrieben, so dass mir Weglegen nie in den Sinn kam. Deswegen freue ich mich auch schon auf den nächsten Zafón-Schmöker, hoffend, dass das im “Schatten des Windes” etablierte, im “Spiel des Engels” wiederholte Muster dann einer neuen kreativen Idee dieses lobenswerten Autors Platz macht.