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Virtuoser Komiker der Absurditäten des Alttags: Jan-Eike Hornauer, “Schallende Verse”

   
18. Oktober 2013: Rezension auf LYRIKwelt.de veröffentlicht.
    hornauer, schallende verse

   
Sagte man, Jan-Eike Hornauers „Schallende Verse“, erschienen 2009 im Lerato-Verlag, seien ein sehr witziges Buch, könnte dies leicht missverstanden werden. Doch bitte genau lesen: Nicht von einem Witzbuch, sondern einem witzigen Buch ist hier die Rede. Das mittelhochdeutsche Adjektiv „witzec“, so belehrt uns das DUDEN-Herkunftswörterbuch, bedeutete „kundig, verständig, klug“; im 17. Jahrhundert verstand man unter „Witz“ auch „Esprit, Gabe des geistreichen Formulierens“. 

Nein, mit „Kennen Sie den?“ hat Hornauers Lyrik nur insofern etwas zu tun, als sie dem bejahungsbereiten Leser zeigt, dass seine vermeintliche Kenntnis zumindest auf einer vorschnellen Annahme beruht:
„Schlechte Zeiten / Wir / müssen / den Gürtel / enger schnallen“
Na, was meinen wir dazu als Leser? Stimmen wir zu? Oder ärgern wir uns über die Ideologie des Verzichts, die mit diesem Appell vermittelt werden soll? Hornauer macht sich darüber ganz einfach lustig, und zwar auf entwaffnende Weise:
„Macht nichts / Der Bauch / hängt / eh schon / drüber“

Der Dichter liebt das Spiel mit den Erwartungen des Lesers und bald spielt dieser das Spielchen nur allzu gerne mit. „Vergeben und vergessen“ heißt ein Sechszeiler, der uns ein Exempel menschlicher Nachsicht und Großzügigkeit erwarten lässt:
„Es klopft bei mir in einer Wand. / Der Grund dafür ist mir bekannt: / Da drin steckt meine Ehefrau. / Warum, das weiß ich nicht genau. / Mein Zorn, der hält nicht lange an; / das zeigt den guten Ehemann.“
War also wohl eher nicht ganz so philanthropisch gemeint.

Hornauer schöpft das komische Potential des Absurden voll aus, wie beispielsweise der „Bericht eines Ahnungslosen nebst der Kommentare zweier Zuhörer“ belegt:
„‚Zu einer Zeit in einem Land / (der Name ist mir unbekannt) / geschah etwas, wovon man spricht, / doch was, das weiß ich leider nicht.‘ / ‚Hach, wie er unsre Zeit verprasst!‘ / ‚Na, immerhin war’s kurz gefasst!‘“
Welcher an seinen Vorgesetzten denkende Bürohengst würde sich darin nicht wiedererkennen?

Hier schreibt jemand auf liebenswürdig-giftige Weise, jemand, der vieles erfahren und dazu Distanz gewonnen hat. Ein Poet, dessen virtuose Verse wie ein Lösemittel wirken auf die Vielzahl der moralischen und ideologischen Verrostungen, derer wir eigenartigerweise im alltäglichen Überlebenskampf zu bedürfen glauben.

Busch-, Erhardt- und Gernhardt-geschult, gelingt es ihm, die Verrücktheiten unseres heutigen Lebens allein mittels der Ambiguitäten der deutschen Sprache ad absurdum zu führen. Der Leser wird nicht mit einem ihm fremden Standpunkt konfrontiert, sondern ihm wird schlicht ein Spiegel vorgehalten, der Spiegel seiner eigenen Sprache. Jan-Eike Hornauer ist ein absolut lesenswerter Lyriker. Einer der größten deutschen Dichter, wie er selbst betont: Er misst zwei Meter.