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Präposition und Welt | Welt der Präposition

     
Versuch einer Annäherung an den Lyriker Erol Hattlih junior
      Holz, Luft & Wasser

         
Zum Gemeinplatz ward längst, dass dort, wo die Germanistik auf Granit zu beißen wähnt, sie unversehens ihrer edelsten Perlen ansichtig wird. Doch gebietet die Erfahrung uns, diese tiefe Erkenntnis auch auf den Poeten Erol Hattlih jun. anzuwenden, von dessen schmalem Œuvre einzig ein Liedtext sowie die jeweils ersten Verse dreier Fassungen ein und desselben Gedichts überliefert sind, da lautend:

1. Schaust du zur Winterzeit nach oben nach den Bäumen
2. Schaust du zur Winterzeit nach oben in die Bäume
3. Schaust du zur Winterzeit nach oben zu den Bäumen?

Wir wissen es nicht.

Könnten wir das Schauen „nach den Bäumen“ im Sinne des frühen Heidegger als vorspringende Sorge verstehen, die den Bäumen hülfe, für ihre eigenen Sorgen frei zu werden, lange bevor Peter Wohllebens Enthüllungen über bäumliche Kommunikation uns die Augen für das Seelenleben der Holzwesen öffneten?

Oder ist in Wahrheit das Schauen „in die Bäume“ vom Dichter intendiert, jenes ekstatische Einswerden von Wahrnehmen und Sein, die Verschmelzung von Mensch und Baum, wie sie schon Bernini in seiner Skulptur „Apoll und Daphne“ dramatisch präludierte?

Doch da ist eben noch die dritte Version, das Schauen „zu den Bäumen“, voll kühler Sachlichkeit den Blick weder allein auf die pflanzliche Kreatur, noch selbstsüchtig nur auf uns selbst lenkend, sondern in aller Schlichtheit auf die Präposition „zu“: jenem universalen Verbinder und Konstituenten von Verhältnissen.

In welcher Fassung spricht nun der wahre Erol Hattlih junior zu uns? Wir vermögen es nicht zu sagen. In welcher könnte er uns ansprechen wollen? Ein Kosmos der Interpretationen entstand, um uns vorläufige Antworten zu skizzieren. Niemand kennt die Person des Dichters; womöglich handelt es sich bei „Erol Hattlih junior” sogar um ein Pseudonym. In dieser Lage bleibt wenig zu hoffen. Vielleicht kann nur seine zweite bekannte Schöpfung, das Gebisslied, uns gangbare Wege zum Verständnis seines Gesamtwerkes weisen:

Kaufst du dir ‘ne kleen Gebiss,
dann sei dir des Erfolgs gewiss,
wenn du es – schon gebraucht –
bei der Oma kaufst.